Ein futuristischer Comic über Weisheit und geschickte Mittel
Interview mit Christopher De La Garza
Illustration: Sascha Grusche
Die ewigen Fragen des Menschen nach der Gestaltung seines Lebens, seinen Möglichkeiten, seiner Freiheit, seiner Unzufriedenheit und dem Sinn des Daseins, sie stellen sich heute wie zu Buddhas Zeiten. Die Kulissen der heutigen Generation haben sich stark durch den technischen Fortschritt verändert, aber immer noch bleibt die Menschheit in puncto Gerechtigkeit, verantwortlichem Miteinander und solidarischen gesellschaftlichen Bewusstsein weit hinter ihren Möglichkeiten.
Ein junges Künstler-Team stellte sich die Frage, wie man Menschen zum Nachdenken über ihr Handeln und ihren Einfluss in der Welt bringen, und sie zu positiver Veränderung motivieren könnte. Künstlerische Unterhaltung schien ihnen ein probates Mittel, und so kreieren sie eine Graphic Novel-Reihe, der die Geschichte des jungen westlichen Mönches David erzählt, der sein Heil im buddhistischen Kloster fand, aber schmerzlich erfahren muss, dass es geschickte Mittel braucht, die Werte der Welt des Klosters für andere nutzbar zu machen.
Als sein geliebter Mentor erkrankt, und er vom Klosterberg in die Stadt herabsteigen muss – einer düsteren High Tech-Monstrosität wie ein Film „Blade Runner“, mit Schattenexistenzen, Gewalt und gleichgültiger, roher Teilnahmslosigkeit der Menschen – um Medizin zu kaufen, gerät er ungewollt in verhängnisvolle Verwicklungen, die ihm dabei helfen werden, seine Ausrichtung tiefer zu verstehen. Er muss sich auch der eigenen Vergangenheit stellen.
Sein introvertiertes Wesen findet hilfreiche Ergänzung in der Aktivistin Selah, und beide werden sich miteinander für eine bessere Zukunft einsetzen…
TIBET UND BUDDHISMUS ist die Zeitschrift des Tibetischen Zentrums e.V. Sie erscheint zweimal im Jahr.
HERAUSGEBER:
Tibetisches Zentrum e.V.
Hermann-Balk-Straße 106
22147 Hamburg
REDAKTIONSTEAM:
Nicola Hernádi (Redaktionsleitung)
Erzähle bitte mal über Euch, und wie Ihr zu eurer Story gekommen seid:
Im Kernteam sind wir drei, Simon Pape, Sascha Grusche und ich, Christopher De La Garza. Sascha hat Physik und Englisch studiert und schreibt gerade seine Dissertation über optik, Hologramme, Bildaufbau und Wahrnehmung etc., Simon ist gelernter Mediengestalter und Graffiti Fine Artist, legal… und hat Psychologie in Magdeburg studiert; er ist der Concept-Artist bei uns, Sascha zeichnet die Illustrationen, und ich bin für das Script/Drehbuch, PR-Arbeit zuständig.
„Wir überlegen, was uns extrem stört, an der Ökonomie, am Gesundheitssystem o.ä. und greifen das als Thema auf. Uns geht es in erster Linie um Unterhaltung mit Tiefgang.“Christopher De La Garza
Illustration: Sascha Grusche
In der Story geht es um einen Mönch, den wir im Jahr 2027 vom Kloster in die Großstadt zurückschicken, und wir möchten die Leser dazu animieren zu fragen: Wie willst Du in Zukunft leben? Welche Weichen müssen wir heute stellen, um eine Lebensqualität zu erhalten, wie wir sie uns wünschen? Durch das Setting, das wir schaffen, möchten wir Leser dazu bringen zu sagen: „Nein, das möchte ich anders.“ Durch die Abwesenheit von Kindern, Natur und einem freundlichen Umgang – all das, was wir schon fast gewohnt sind – entsteht nahezu automatisch ein Bedürfnis nach dem gegenteil. Oscar Wilde sagte, Dystopie sei ein Mittel, auf Missstände aufmerksam zu machen.
Wir überlegen, was uns extrem stört, an der Ökonomie, am Gesundheitssystem o.ä. und greifen das als Thema auf. Uns geht es in erster Linie um Unterhaltung mit Tiefgang. Es soll nicht aufdringlich belehrend sein.
Dafür habe ich eine schöne Metapher: eine Forscherin hat herausgefunden, dass bei der Verwandlung einer Raupe zu einem Schmetterling, beim Einspinnen in den Kokon, sogenannte Imago-Zellen entstehen. Diese Zellen sind bereits im alten System der Raupe vorhanden, erkennen sich gegenseitig während des Prozesses der Auflösung und bilden neue Netzwerke, aus denen dann der Schmetterling hervorgeht. So etwas muss wohl gesellschaftlich gerade auch passieren. Wenn diejenigen, die erkennen, dass Dinge in der Gesellschaft falsch laufen, Netzwerke bilden, könnte daraus ein Schmetterling entstehen…
„[..] Buddha sei im Grunde der Ur-Psychologe in der Art, wie er Ursache und Wirkung erforscht hat.“Christopher De La Garza
Wie seid ihr ausgerechnet auf einen buddhistischen Mönch als Helden gekommen? Hat einer von euch einen buddhistischen Hintergrund?
Simon sagte, Buddha sei im Grunde der Ur-Psychologe in der Art, wie er Ursache und Wirkung erforscht hat. In diesem Sinne erscheint Buddhismus eher als eine Philosophie. Wir brauchten einen neutralen Standpunkt von einem Eremiten, der sich aus seiner Abgeschiedenheit wieder heraus begeben musste. In Erinnerung an Nietzsches „Also sprach Zarathustra“, wo ein Einsiedler in die Stadt geht, und weder Hirte noch Totengräber sein möchte (die klassischen Felder der Religion…) und auf Tanzende und Schaffende trifft… In unserer Story möchte der Mönch den Stadtbewohnern von dem erzählen, was ihn erfüllt hat, aber sie sind blind und taub dafür.
Er besitzt den Edelmut und die Weisheit, aber nicht die Geschicklichkeit und Kreativität, es ihnen zu vermitteln. Dann trifft er auf die Aktivistin Selah, und mit ihren Fähigkeiten lässt sich eine Art „Neo-Tribe“, eine Gemeinschaft aufbauen, mit der sich Gesellschaft verändern lässt.
… was man früher veraltet Avantgarde genannt hat, Vorausreiter.
Wir stellen den Protagonisten auch nicht als Heiligen dar, sondern in seiner Verwundbarkeit und seinen menschlichen Beschränkungen, wie er trotz seiner Übungen nicht vor dem Leben gefeit ist.
Wie viel Vorwissen habt Ihr euch angeeignet? Gezeichnet habt ihr eine Art Allround-Buddhismus, mit allen möglichen Stilen des Buddhismus…
Wir haben vier Jahre lang recherchiert und uns sehr intensiv auseinandergesetzt, mit Stadt-Entwicklung, diesbezüglichen Utopien und Trends und eben auch mit dem Buddhismus. Da sind wir buchstäblich fast wahnsinnig geworden, weil das Feld so unüberschaubar ist. Es gibt so viele unterschiedliche Ströme und keinen Hauptstrang.
Wir haben dann einen polnischen Wandermönch befragt: was sagt Buddhismus über Liebe, Hass, Tod und Leben, wie gehen Buddhisten mit Freundschaft um? Um den Protagonisten so authentisch wie möglich reagieren zu lassen, auch auf Alltragsprobleme – z.B. wie ersetzt man schlechte Gedanken durch gute, oder wie gehe ich mit Gewalt gegen mich und andere um und bleibe trotzdem besonnen? Und wir haben uns eine Woche lang in ein Kloster einquartiert.
Illustration: Sascha Grusche
„Das Ziel von Hemispheres ist es auch, eine globale Marke aufzubauen. Hemispheres World.“Christopher De La Garza
Wie soll es denn jetzt weitergehen?
Wir arbeiten gerade am zweiten Band von geplant dreien und wollen global werden, diese Welt öffnen, möglichst viele Charaktere und Szenarien bereitstellen. Das Ziel von Hemispheres ist es auch, eine globale Marke aufzubauen. Hemispheres World. Wo wir nicht nur die Comic-Bücher haben, sondern auch einen Web-Comic, wo internationale Top-Künstler Panels, Strips oder Kurzgeschichten zeichnen mit einem Online-Magazin, wo wir Interviews mit Querdenkern, Visionären und Machern bieten, auch als Podcast, um Ideen für die Schaffung einer lebenswerten Zukunft ein Forum zu geben.
„Das Wort Krise bedeutet ja auch Chance, klar, unser Momentum, unsere Zeit ist geprägt von Individualismus, von „Marke Ich“, jeder sein eigener Götze. Doch wo auf einer Seite viel ist, ist immer auf der anderen Seite weniger. Das Übergewicht des Reichtums hat auf seiner anderen Seite den Mangel.“Christopher De La Garza
Glaubst Du, dass in deiner Generation die Bereitschaft gemeinschaftlich sich für solche Ziele zu engagieren vorhanden ist? Gibt es nicht eine ziemliche Verdrossenheit, eine Ernüchterung der jungen Generation, weil man sich für vergleichsweise machtlos hält? Und in diesem Zusammenhang – warum tun sich viele buddhistische Zentren schwer damit, attraktiv auf die junge Generation zu wirken?
Das Wort Krise bedeutet ja auch Chance, klar, unser Momentum, unsere Zeit ist geprägt von Individualismus, von „Marke Ich“, jeder sein eigener Götze. Doch wo auf einer Seite viel ist, ist immer auf der anderen Seite weniger. Das Übergewicht des Reichtums hat auf seiner anderen Seite den Mangel.
In meiner Beschäftigung mit Zukunftsentwicklungen beobachte ich das sehr genau. Es werden von einflussreichen Kräften wie z.B. im Silicon Valley Entwicklungen angestoßen, die nicht zu stoppen sind, die wie Wellen über uns hereinbrechen. Auch diejenigen, die solche Entwicklungen anstoßen, können nicht sagen, was aus ihnen wird. Diese Anstöße gehen einerseits mit Zerstörung und Verlust einher, aus denen dann auf der anderen Seite wiederum Neues entsteht. Es wird einfach mal einer Branche der Stecker gezogen, wie z.B. den Taxi- oder Hotel-Unternehmen durch Uber und Airbnb, und dann schauen alle, was passiert. Niemand kann das wirklich kontrollieren, Big Data, Quantified Self mit Fitness-Armbändchen, Selbst-Optimierungswahn aus unserem Reichtum heraus: Man vertraut sich nicht mehr, sondern verlässt sich auf Daten aus kommerziellen Lifestyle-Produkten, und denkt, dass man im Kaffeesatz von diesem Daten irgendwo einen Sinn erkennt. Das ist eine Hoffnung, ein Versprechen, das man den Leuten macht, das jedoch völlig außerhalb ihrer Lebensreichweite liegt. Die Enttäuschung wird schrecklich sein. Man entscheidet nicht mehr, weil sich etwas auch aus dem Bauch heraus richtig anfühlt, sondern ist durch die Informationsflut, mediale Ablenkung, Entfremdung von sich selbst und der Gesellschaft haltlos und einsam. Wir sind so viele und fühlen uns trotzdem alleine. Der Mangel wird himmelschreiend sein.
Ich hatte neulich ein Treffen mit einem wissenschaftlichen Macher in hoher Position, aber wer mir begegnete, war ein Mensch, der sich unterschwellig quälend nach Vertrautheit und menschlicher Verbundenheit sehnte. Das scheint mir allgemein ein großes Bedürfnis zu sein. Erfolg, so heißt es ja, ist, wenn gute Vorbereitung auf den richtigen Moment trifft.
Wenn also buddhistische Gemeinschaften, die Kirche und andere, die für diesen Mangel Hilfen zur Bewältigung haben, gut vorbereitet sind, ist ihnen der Erfolg eigentlich sicher.
Vielen Dank für dieses Gespräch!